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Das Wahlfach Glück - oder Schildkröten mit Holzofenbrot

Das Wahlfach Glück - oder Schildkröten mit Holzofenbrot

Die Tibeter haben viele schöne Geschichten. Eine davon erzählt von einer Schildkröte, die auf einem Planeten umherschwimmt, der nur aus einem riesigen Ozean besteht. Neben der Schildkröte gibt es auf dem ganzen Planeten nur noch einen Holzreif, der von den Winden und Wellen getrieben über die Meeresoberfläche schwimmt. Alle einhundert Jahre taucht die Schildkröte ein einziges Mal zum Luftholen auf und es ist genau so wahrscheinlich als Mensch geboren zu werden, wie es wahrscheinlich ist, dass die Schildkröte beim Auftauchen mit ihrem Kopf exakt durch den Holzreif schlüpft.

Unabhängig von der tieferen Auseinandersetzung mit fernöstlichen Philosophien, kann man daraus ableiten, dass unser Leben kostbar ist. Und obwohl dies vermutlich keine gänzlich überraschende Erkenntnis ist, fällt es den meisten von uns nicht leicht, die Kostbarkeit ihres Lebens jeden Tag bewusst zu erleben und zu genießen. Stattdessen denken wir über das nach, was gestern schwierig war und haben bereits Sorge, ob morgen alles klappt. Wir erleben keine feste äußere Welt, sondern erleben unsere Sicht einer festen äußeren Welt – d.h. wir erleben eigentlich nur unsere Sicht, letztlich uns selbst. 24 Stunden am Tag.

Je nach innerer Freiheit ist diese Lage nun ein Hochgenuss oder einfach nur schrecklich – egal, wie es gerade ist, diese Erkenntnis hat einen entscheidenden Vorteil: Die äußere Welt, andere Menschen, komplexe Situationen lassen sich nicht oder nur bedingt durch unser Zutun verändern. Wenn wir aber erkennen, dass wir unser (Er)leben beeinflussen können, dann haben wir Raum. Wir haben eine Wahl, wir können selbst entscheiden, welche Samen wir im Garten unseres Geistes sähen wollen und können zusehen, welche Früchte daraus erwachsen. Niemand würde sich freiwillig ein öliges, rostiges Auto in den eigenen Garten stellen.

Wir können somit unser Leben durch unsere Entscheidungen selbst gestalten und dies ist lernbar. Einen kleinen Ausschnitt davon haben die „inneren Gärtner“ des Wahlfachs Glück gewagt. Aufgrund des Wegfalls des zweiten Halbjahres konnten wir uns erst eine Auswahl der geplanten Themen, wie z.B. „Meditation“, „Die Verlässlichkeit der Sinne“ oder auch das Thema „Ängste“ gemeinsam anschauen. So kann es durchaus eine sehr interessante Erfahrung sein, einmal 30 Sekunden lang mit voller Aufmerksamkeit auf einem köstlichen Stück noch warmen Holzofenbrotes herumzukauen – die Erfahrungen dieser 30 Sekunden füllten die darauffolgenden 30 Unterrichtsminuten im Nu.

Leiter des Wahlfachs Glück

Niko Häntschel